Familienfest im Hochhaus in Sao Paulo
Der 12. Juni war ein Feiertag. Keiner sollte arbeiten in Sao Paulo, es sollte gefeiert werden. Ereignis war aber nicht der Brasilianische „Tag der Liebenden“ wie ich romantisch träumerisch erst annahm, sondern tatsächlich der Eröffnungstag der Weltmeisterschaft. Jenes Ereignis, was die Nation seit Jahren bewegt, was eine halbe Milliarde verschwendet hat, in einem Land in dem jeder zweite mit schlechtem Gesundheitswesen oder inakzeptabler Bildung oder Behausung lebt.
Meine Kollegen hatten mich eingeladen, am Grillen im Hof des Hauses teilzunehmen. Ein Rentner-Ehepaar hatte über 40 Hausbewohner zusammen getrommelt. Es wurde ab 13 Uhr bis spät in die Nacht gegrillt. Die Spielerauswahl war definitiv ein diskutiertes Thema, die Proteste und Korruption eher nicht.
Alle Generationen waren vertreten: Kinder tollten umher, schwangen kleine Brasilien-Fähnchen und aßen Würstchen aus der Hand. Junge Erwachsene saßen auf Klappstühlen und tranken Bier. Die Eröffnungsfeier wurde wenig beachtet. Mir wurde erklärt, dass die Hymne viele Menschen nicht anspricht, da sie sprachlich äußerst kompliziert aufgebaut ist und außerdem, aus dem Unabhängigkeitskrieg stammend, vom patriotischen Tod und der Gleichheit schwärmt.
Am meisten beeindruckt war ich vom Feuerwerk, was bei jedem Tor über der Stadt zu hören war. Eine große Tradition in Brasilien, wie mir erklärt wurde. Eine Nachbarin betrieb früher einen Feuerwerksladen und erzählte, wie Fußballfans ihr drohten, den Laden abzufackeln, sollte sie an die „falschen“ Fans verkaufen. Als ich von den strikten Regelungen zum Verkauf und der Verwendung von Feuerwerkskörpern in Deutschland erzählte, wurde ich (erwartungsgemäß) fassungslos angestarrt.
Nach dem Spiel erklärte mir ein älterer Herr im feinsten Portugiesisch, dass ich wieder kommen soll zum Grillen. Nicht nur ich, sondern auch meine Familie, Freunde und alle, die ich kenne. Herzliche Gastfreundschaft!
Die WM ist im vollen Gang. Die Menschen haben sich damit abgefunden und bauen sie eben in ihr Leben ein. Viele meiner Freunde sprechen sich gegen FIFA‘s Klammergriff und die Geldverschwendung aus und haben trotzdem Stadion-Tickets erworben. Die Präsidentschaftswahlen stehen im Oktober an, es besteht Wahlpflicht.